SHADOWS OF COLD MOUNTAIN 1

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Shadows of Cold Mountain 1

für 3 Tenorblockflöten (1993)

 

 

“Ich habe mich in den Schatten dessen gesetzt, den ich begehre.” (Hohelied Salomons) 1993 enstand gleichzeitig mit einem Essay über das Unisono des Philosophen Hannes Böhringer das Projekt Schatten der Ideen. Diesem Werkzyklus und seiner Thematik nahestehend sind die Stücke Shadows of Cold Mountain nach den kalligraphischen Bildern von Brice Marden. Die Paradoxie der Ineinander-Verschränktheit des Vielen und des Einen soll zum Klingen gebracht werden.

Erased-Retraced umkreist den bildnerischen und poetischen Raum Brice Mardens und Robert Creeleys mit einer Musik, die zwischen konturauflösenden Stücken: Erasedund konturbildenden Stücken: Retraced, hin und her pendelt. Die Balance zwischen Auflösung und Einlösung von Struktur gilt es zu erhalten, ein Gleichgewicht, das sich durch die Geschichte der Ästhetik wie ein roter Faden zieht, einmal mehr dieser, mal jener Haltung nachgebend. Die kalligraphisch weit geschwungenen Bilder Brice Mardens stehen hier pointiert den lakonisch, einfachen Gedichten Robert Creeleys gegenüber.

Die vier Stücke des Pols Erased übersetzen die gestisch-kalligraphischen Liniengeflechte von Brice Mardens Bildzyklus Cold Mountain in Klang. Was bei Marden freiheitlicher Ausdruck einer losen, weiten und schweifenden Linienfolge ist, wird hier zum Grenzgang. Instrumente sind nicht für Grenzenloses gebaut, jede Freiheit kommt in Konflikt mit der Mechanik. Die schweifende Linie, in Musik übersetzt, wird nur durch strengstes Abmühen erfahrbar. So weit können Malerei und Musik auseinander liegen. Jedoch trifft sich Farbwelt und Tonwelt jenseits dieser Anstrengung, in Mannigfaltigkeit der Verbindungen der sekundären Klangprozesse der Interferenztöne und Differenztöne. Die primäre Gestik des Malens wird hier erst in der sekundären Klangebene wahrnehmbar, hinter der Struktur.

Die Struktur als primärer Materialträger wird wieder eingesetzt in den vier Stücken des Pols Retraced. Die lapidaren Gedichte Robert Creeleys werden in konstruktiv scharf konturierte Gesangs-und Instrumentallinien übersetzt, die den jeweiligen Kerngedanken formal entfalten: in Echoes/Umbrae Idearum sind es reperkussierende Intervallzellen, die durch steten Austausch wie Schatten sich gegenseitig relativieren; in The Edge werden die Ränder der Ereignisse formuliert, umgeben vom Abgrund der Stille; in Numbers/ De Monade, Numero et Figura wird die Übersetzung und Addition von Gedichten über die Zahlen 1 – 9 und 0 zu kontrapunktischen Liniengeflechten ausgeweitet, deren Transpositionen durch die sechs verschiedenen Schlüssel und Stimmungen der Instrumente vorgegeben sind; in Intervals schließlich wird die paradoxe Doppeldeutigkeit des Wortes, Intervalle/Pausen, umrissen. Pausen werden zum Bindestrich zwischen Erased und Retraced.

Morton Feldman bekam einst eine Zeichnung eines Malerfreundes geschenkt, zu einer Zeit als dessen Berühmtheit und Marktwert noch in den Anfängen steckte. Als dieser den Zenith seines Ruhms erreicht hatte, holte Feldman die Zeichnung wieder hervor und siehe die Striche auf dem Papier waren verloschen. “